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Pressemitteilung

Demokratie in Krisenzeiten - Populismus, Pauschalisierung, Polarisierung -

An dem Vortragsabend zu dem die Kreisverbände Traunstein und Berchtesgadener Land den ehemaligen Landesvorsitzenden Bernhard Suttner eingeladen haben ging es um konkrete Wege für mehr Zusammenhalt und lebendige Demokratie. siehe ausführlichen Bericht im Anschluß.

ÖDP-Grundsatzbeauftragter Bernhard Suttner fordert:

„Gerechtigkeitspolitik muss ganz nach oben auf die Agenda“

Traunstein, 28.02.2025:

„Populismus, Pauschalisierung, Polarisierung – Demokratie in Krisenzeiten“, lautete das Thema einer gemeinsamen-Infoveranstaltung, der beiden ÖDP-Kreisverbände Traunstein und Berchtesgadener Land. Barbara Winkler, ÖDP-Kreisvorsitzende für das Berchtesgadener Land und Stadträtin aus Laufen eröffnete die gut besuchte Veranstaltung im Gasthaus Sailerkeller mit ihren Begrüßungsworte und einer kurzen Gedenkminute an den erst kürzlich verstorbenen ÖDP-Gemeinderat und Kreisrat Hans Baumgartner aus Saaldorf/Surheim.

Bevor der ehemalige ÖDP-Landesvorsitzende Bernhard Suttner mit dem sehr inspirierenden Vortrag begann, stellte sich die ÖDP-Landratskandidatin Dr. Ute Künkele, Biologin und Lehrerin aus Petting vor. Sie ist seit 2014 Mitglied im Kreistag und seit 2020 Fraktionsvorsitzende – mit einem fundierten Überblick über alle anstehenden Landkreisthemen.

Die zehn wichtigsten Forderungen der ÖDP Kreisgruppe für eine enkeltaugliche Landkreispolitik präsentierte Dr. Ute Künkele in kompakter Form. Im Mittelpunkt stehen Klimaschutz, CO²-Einsparung, der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und die Reduzierung des Flächenverbrauchs. Ebenso wichtig sind ihr gesellschaftspolitische Themen: „Eine gerechtere Finanzierung der Krankenhäuser und der Erhalt der Kreisaltenheime liegen mir besonders am Herzen“, betonte Künkele.

Im Anschluss referierte der Bildungsreferent und langjährige ÖDP-Landesvorsitzende Bernhard Suttner aus Windberg (Landkreis Straubing-Bogen) zum Veranstaltungsthema. Er stellte die Gerechtigkeitspolitik ins Zentrum seines Vortrags. Nach seiner Überzeugung muss auf mindestens zwei „Baustellen“ gearbeitet werden, um unsere Demokratie zu erhalten und attraktiv zu gestalten.

Die erste Baustelle betreffe die Art der Konfliktaustragung: „Dass wir unterschiedlicher Meinung sind, ist in den allermeisten Fällen nicht das Problem“ meinte der Referent. Schwierig werde es, wenn zum einen die Verfassungsgrundlagen nicht mehr geachtet werden und zum anderen die eigene Ansicht zur einzig möglichen erklärt wird. Hochproblematisch sei auch das populistische Leugnen der Komplexität aktueller Probleme, die Verachtung von wissenschaftlich begründeten Fakten und die pauschale Zuweisung von Schuld auf bestimmte gesellschaftliche Gruppen oder auch Einzelpersonen. Populisten seien sehr geschickt darin, die eigene Anhängerschaft von allen Lasten und Notwendigkeiten “freizusprechen“ und gleichzeitig andere Menschengruppen als Problemverursacher zu brandmarken. Das verhängnisvolle Spiel „wir gegen die“ müsse aufhören, weil die großen Probleme unserer Zeit wie z.B. die Erhitzung des Planeten, der Verlust der biologischen Vielfalt und die überbordende Schuldenlast der öffentlichen Haushalte „gemeinschaftlich verursacht wurden und deshalb auch gemeinschaftlich bearbeitet und gelöst werden müssen“, meinte Suttner.  In diesem Zusammenhang warb der Referent leidenschaftlich für die Mitgliedschaft in gemeinwohlorientierten lokalen Vereinen: „Hier kommt man zusammen und macht die Erfahrung von Wirksamkeit!“ Während im Internet die Beleidigungen locker hin und herfliegen sei man von Angesicht zu Angesicht in aller Regel respektvoller: „Wer sein gemeinsames Ziel bei der Feuerwehr kennt, greift nicht gleich zu Hass und Hetze gegen andersdenkende Mitglieder!“, so der Referent.

Polarisierung, also die deutliche und pointierte Formulierung von Gegensätzen müsse man in einer Demokratie aushalten. „Oft wird einem selbst die Problemsicht klarer, wenn man Widerspruch erfährt und seine Argumente im Kreuzfeuer prüfen muss“ stellte Suttner fest. Zu den auf „ewig“ geltenden deutschen Verfassungsgrundsätzen dürfe es aber keinen Gegenpol geben. In diesem Zusammenhang verwies der gelernte Politikwissenschaftler auf den vielen nicht bekannten Grundgesetzartikel 79.3, der eine Änderung des Grundgesetzes verbietet, wenn es um die Würde des Menschen, das Demokratieprinzip, den Rechtsstaat, den Sozialstaat und die Beteiligung der Länder an der Gesetzgebung geht. „Das ist die Lehre aus der deutschen Geschichte: Nie wieder soll im deutschen Namen das Recht aller Menschen auf Würde verachtet werden, nie wieder darf ein unkontrollierbares Machtzentrum entstehen, nie wieder darf eine Clique um eine Führerperson den Staat okkupieren!“

Auf der zweiten Baustelle müsse man endlich daran gehen, Gerechtigkeitspolitik auf die Agenda ganz nach oben zu setzen. Es breite sich die gefährliche Stimmung im Lande aus, dass die Lebenslage kleiner Leute nicht mehr beachtet werde und nur noch im Interesse vermögender Kreise Politik gemacht werde. Ein Musterbeispiel sei das Ausbleiben des an sich versprochenen Klimageldes: „Im Koalitionsvertrag der verflossenen Bundesregierung war versprochen, die Einnahmen aus der klimapolitisch sinnvollen und notwendigen CO2-Abgabe an die Bürger in geeigneter Form zurückzugeben. Davon hätten Haushalt mit niedrigem Einkommen und entsprechend bescheidenem Verbrauch sehr gut profitieren können.“ Dass dies nicht umgesetzt wurde und stattdessen großzügige Zuschüsse zu übermotorisierten E-Fahrzeugen gegeben wurden, sei sozial wie ökologisch falsch gewesen. Leider könne man von der neuen Bundesregierung keine Besserung erwarten. Suttner verwies auf eine Vielzahl von Gerechtigkeitsprojekten, die in der wissenschaftlichen Literatur empfohlen werden, um auseinanderdriftende Gesellschaften wieder näher zusammenzubringen: So werde von vielen ein allgemeines Pflichtjahr im Dienst der Gemeinschaft empfohlen. Die Einrichtung von Bürgerräten gebe auch Menschen eine Beteiligungschance, die sonst nicht gefragt werden. Auch die Auszahlung eines „Grunderbes“ nach Volljährigkeit und Abschluss einer Ausbildung sei gemeinschaftsbildend, weil damit der Start aller junger Menschen in die Selbständigkeit erleichtert werden. Solche Projekte seien leicht zu finanzieren, wenn man endlich das Tabu breche, wonach riesige Einkommen aus Kapitalerträgen und Immobilienbesitz staatlicherseits nicht angetastet werden dürften: „Dass wir immer noch die meisten Steuern und Abgaben vom Faktor Arbeit einkassieren und die Faktoren Kapitalertrag und Umweltverbrauch verschonen, passt schon lange nicht mehr in die Zeit“ kritisierte Suttner.  

In der vom Traunsteiner ÖDP-Kreisvorsitzendem Georg Huber geleiteten Diskussion gingen viele Besucher auf das Thema Gerechtigkeitspolitik ein. Andreas Huber, ÖDP-Kreis- und Bezirksrat eröffnete die Diskussion mit dem Problem der prozentualen Rentenerhöhung „hierdurch öffne sich die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter“. Suttner gab ihm recht und schlug vor, dass man hier ja ähnlich wie bei den aktuellen Tarifverhandlungen vorgehen könne, bei denen die Gewerkschaften meist zusätzlich zu einer prozentualen Erhöhung einen Mindestbetrag für untere Einkommensgruppen verhandelt haben. Ein weiterer Besucher bemängelte, dass  die Rentenbeiträge nur vom Arbeitslohn einbehalten werden, während andere Einkommensarten wie Kapital- oder Mieteinahmen hier außen vor seien. Auch hier stimmte Suttner zu und erinnerte an die langjährige ÖDP Forderung für eine Steuerreform für Arbeit und Umwelt, wodurch Energie- und Ressourcenverbrauch stärker und die menschliche Arbeitskraft weniger besteuert werden würde. „Gerade der vermehrte Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) bringt uns aktuell klar vor Augen, wie durch Energie- und Kapitaleinsatz finanzielle Erträge erwirtschaftet werden, die anders als jede menschliche Arbeitsstunde aber nicht zur finanziellen Absicherung unserer Sozialversicherungen (z.B. Kranken- oder Rentenkasse) herangezogen werden“, so Bernhard Suttner.

Der stellvertretende Kreisvorsitzende Bruno Siglreitmaier aus Chieming sieht auch eine Gefahr für die Demokratie durch die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich. Denn Reiche können durch Spenden an Parteien, die Bildung von Interessens-gruppen in Verbänden und Lobbyarbeit ihre politischen Ziele leichter durchsetzen als die Mittelschicht und finanziell Arme. Kann ein Kandidat den größeren Teil seiner Wahlkampfkosten selbst tragen oder erhält aus seinem wohlhabenden Umfeld eine entsprechende Unterstützung, ist ein Aufstieg in eine politische Spitzenposition wahrscheinlicher. Außerdem, so Siglreitmaier, wird die Konzentration des Finanzkapitals auf wenige "Superreiche" zu weiterer sozialer Ungerechtigkeit führen. Nehmen Parteien Firmenspenden an, so mag das mit Einschränkungen erlaubt sein, dass Konzerne diese völlig uneigennützig überweisen darf aber in Frage gestellt werden. „Wer für eine unabhängige Politik ist, sollte nach meiner Meinung die ÖDP wählen, da die ÖDP als einzige Partei keine Spenden von Firmen und anderen juristischen "Personen“ annimmt und somit für eine unabhängige Politik steht, wie keine andere Partei“, so Siglreitmaier.

Hans Sondermaier aus Ruhpolding sah den Drang zur Individualisierung als wichtiges Problem des Auseinanderdriftens der Gesellschaft. Er unterstützte deshalb die Aussage des Referenten zur Wichtigkeit der Mitarbeit und Unterstützung von Vereinen. „Ich singe bereits viele Jahre in einem Chor. Das musikalische verbindet hier ungemein, unabhängig davon, welche politische Gesinnung und Einstellung jede/r Einzelne hat“. Helmut Kauer aus Traunreut gab ihm Recht und erinnerte an die Wichtigkeit von Jugendverbänden. Dr. Ute Künkele ergänzte, dass gerade in jungen Jahren auch die Begegnungen und der Austausch mit Jugendlichen anderer Nationen wichtig und gewinnbringend für ein Völkerübergreifendes, verständnisvolles Miteinander seien.

ÖDP-Kreisvorsitzender und Gemeinderat aus Waging dankte Herrn Suttner mit einer  Zusammenstellung regionaler Produkte für den mit vielen Lösungsansätzen versehen Vortrag und der für alle Themen offenen Diskussion.

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